1.„Um ein Kind groß zu ziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“
(Sprichwort aus Afrika)
1.1 Der gesellschaftliche Hintergrund für alternative Formen der Kinderbetreuung
Das Lebensumfeld von Kindern hat sich geändert. Familien werden kleiner, es gibt mehr getrennt lebende und mehr allein erziehende Eltern.
Immer mehr Mütter versuchen, Kindererziehung und Berufstätigkeit zu vereinbaren. Immer mehr Väter nehmen ihre Rolle bewusst wahr, beteiligen sich an der Erziehung und beginnen, Auszeiten vom Berufsleben zu nehmen.
Eine Elterninitiative ermöglicht, verlässliche Betreuungszeiten und eigene Mitgestaltung zu vereinbaren.
Es besteht ein Netz aus vielen Personen, die den Kindern vertraut sind. Durch die mitarbeitenden Eltern lernen die Kinder mit verschiedenen Menschen klarzukommmen und sich auf sie einzustellen.
Die Solidarität, die Kinder in einer größeren Geschwisterrunde lernen würden, lässt sich auch in einer altersgemischten Kindergruppe erfahren und einüben. Besonders der Kontakt von Personal und Eltern bietet eine vielfältige Bereicherung. Der Austausch über Erziehungsfragen, der in einer Großfamilie stattfinden würde, erfolgt in der Elterninitiative.
So sehen wir die veränderte gesellschaftliche Situation als Herausforderung und Chance, nach alternativen Wegen zu suchen, um das Leben mit Kindern verantwortlich zu gestalten.
2. Pädagogische Grundüberlegungen und ihre Umsetzungen
2.1 Erziehung auf der Grundlage der unbedingten Wertschätzung der Mitmenschen sowie der Achtung der Schöpfung
-Der Kindergruppenalltag soll den Kindern die Erfahrungen von Toleranz, Achtung vor sich und den Mitmenschen und Verantwortung für die Natur ermöglichen.
-Die Kinder erleben bestimmte Elemente des christlichen Jahreskreises, z.B. Martinszug und Nikolausfeier. Gleichzeitig sind uns kulturelle Aufgeschlossenheit und Neugier besonders wichtig. Unterschiede werden als wertvoll wahrgenommen.
-Begegnungen mit Tieren und Pflanzen finden bei den täglichen Spielplatzbesuchen, den wöchentlichen Draußentagen und den jährlichen Waldwochen statt.
-Gesunde Ernährung mit viel Obst und frischem Gemüse aus ökologischem Anbau ist uns besonders wichtig.
2.2 Unser Menschenbild:
Das Kind als Experte für seine Lern- und Bildungsziele -
Wir orientieren uns an den themenbezogenen Bildungs- und Erziehungsbereichen des Bayerischen Bildung-und Erziehungsplanes (BEP) und setzen dabei in unserer Gruppe bestimmte Schwerpunkte, die nachfolgend noch beschrieben werden.
-Wir gehen davon aus, dass das Kind lernen will. Die Tätigkeiten und Interessen der Kinder sind der zentrale Ausgangspunkt für Lernerfahrungen. Lernprozesse setzen an den Quellen des kindlichen Lerneifers an, wie Freude, Neugier, Experimentierlust.Wir nehmen auf die individuell unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Kinder (Interessen, Fähigkeiten, Vorwissen, Lernweg, Lerntempo) Rücksicht. Wenn wir darauf aufbauen und den Kindern ihre Mitgestalterrolle zugestehen, dann steht zu vermuten, dass sie große Bildungspotentiale freisetzen.“ (BEP S. 29)
-Große Verantwortung liegt hier bei den Erzieherinnen und Erziehern: Damit die Kinder die (Lern-)Freiheit, die wir ihnen bei den Kleinen Strolchen geben für sich auch nutzen können, ist ein ständiges aufmerksames und einfühlendes Beobachten angezeigt, damit Impulse des Lernenwollens wahrgenommen und weiter begleitet werden können.
-Der in den Kindern vorausgesetzte Lernwillen und die ihn gegebene Lernfreiheit findet auch seine Umsetzung in der Einrichtung: Nahezu alle Materialien sind immer frei zugänglich.
2.3 Selbstbestimmung und partnerschaftlicher Umgang
-„Der Mensch ist auf Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit hin angelegt… (Kinder) wollen von sich aus lernen, ihre Neugierde und Erkundungs-und Forscherdrang sind der Beweis…. Sie haben ein Recht auf umfassende Mitsprache und Mitgestaltung bei ihrer Bildung und allen weiteren, sie (mit) betreffenden Entscheidungen.“ (Bayrischer Bildung-und Erziehungsplan 2006, S.23)
-Dieses Prinzip des BEP wird in unserer Kindergruppe folgendermaßen umgesetzt: Die Kinder haben ein Recht auf die freie Wahl ihrer Tätigkeiten, ihre Mitspieler/innen und auf einen Ihnen entsprechenden Rhythmus. Selbständigkeit und Eigenverantwortung in der Gestaltung des Kindergruppenalltags können Kinder nur erfahren, wenn ihnen dies von den Erwachsenen wirklich zugetraut wird.
-Kinder haben ein Recht auf partnerschaftlichen Umgang mit den Erwachsenen, d.h. dass die Erwachsenen ihre aufgrund ihrer längeren Lebenserfahrung erworbenen Kenntnisse in allen Lebensbereichen nicht zur Bevormundung gegenüber dem Kind einsetzen und somit das Kind an Eigenerfahrungen hindern, sondern versuchen, sich in die Gefühls-und Gedankenwelt des Kindes hineinzuversetzen und sie als eigenständige Persönlichkeiten zu akzeptieren.
-Die Erwachsenen sind sich ihrer Vorbildfunktion bewusst und wissen, dass sie den Kindern nur das glaubwürdig vermitteln können, was sie selbst leben. Erzieher/innen, Praktikanten/innen und Eltern sind im Gruppenalltag authentisches, personales Angebot: Als Bezugspersonen bringen Sie ebenfalls ihre eigenen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Überzeugungen mit in die Kindergruppe ein und begreifen sich als Teil der Gruppe begreifen.
2.4 Altersmischung als Chance
-In einer altersgemischten Gruppe können geschwisterähnliche Beziehungen aufgebaut werden, in denen die größeren Kinder Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahmen entwickeln und die kleineren Kinder am Modell der Großen lernen.
Die Großen können „sich selbst als Vorbild begreifen und (ihr) Verhalten reflektieren.“ (BEP S. 131)
-Gerade durch die Altersmischung von 2 bis 6 Jahren können die Kinder gegenseitig ihrem Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit, Anerkennung und Lob viel besser nachkommen und sind nicht nur auf die Erzieherin und den Elterndienst angewiesen.
-Wir achten darauf, daß auch die 5-6Jährigen ihrem Alter entsprechend gefördert werden.
2.5 Reflektierte Koedukation: Starke Mädchen, starke Jungs!
-So können Jungen und Mädchen „ganz selbstverständlich ihr Handlungsspektrum und ihre Spielräume erweitern. (Zum Beispiel, indem ältere Jungen sich fürsorglich gegenüber den Jüngsten verhalten oder Mädchen in die Fußballmannschaft aufgenommen werden.)“ (BEP S. 132)
-Hierzu gehört die zeitweilige geschlechtshomogene Gruppenteilung: Nur sie bietet den Jungen und Mädchen die Möglichkeit, dass sie für sich neue Handlungsspielräume entdecken. Traditionelle Genderkonzepte- die in der klassischen Weise immer komplementär aufeinander bezogen sind und sich so in der gemischt- geschlechtlichen Gruppe zunächst immer selbst erhalten- werden nur so aufgebrochen und erweitert.
2.6 Das Kind als Experte für sich selbst:
Soziales, emotionales und kognitives Lernen in vielfältigen Situationen
2.6.1 Das Kind als Experte für seine sozialen Interaktionen
-Die Kinder werden darin unterstützt, ihre Konflikte möglichst selbständig miteinander zu lösen.Die Erwachsenen haben zuerst eine beobachtende Funktion und unterstützen Gespräche, in denen die Kinder nach Lösungen suchen.
-Kinder sollen ihre Emotionen, sowohl negative als auch positive, zeigen und ausleben können, ohne Angst haben zu müssen, seitens der Erwachsenen abgelehnt zu werden. „Gespräche mit Kindern sind entscheidend dafür, was sie über Gefühle lernen, wie sie darüber sprechen und mit belastenden Situationen umgehen.“ (BEP S. 187)
-Die Kinder erleben, dass Regeln hilfreich für das Zusammenleben sind, beispielsweise, dass nur im Tobezimmer getobt und nur in der Küche gegessen wird. Bei der Aufstellung weiterer Regeln, die aus der Situation heraus notwendig werden, sind die Kinder aktiv beteiligt.
-Die Kinder werden darin unterstützt, Sprache und Körpersprache bewusst wahrzunehmen. Sie werden ermutigt, ihre Gefühle und Bedürfnisse sprachlich auszudrücken. Dies geschieht sowohl in konkreten Situationen als auch bei Kinderkonferenzen.
2.6.2 Das Kind als Experte für seine geistige und seine musisch-kulturelle Bildung
Sprache
Sprache verstehen und sprechen ist der Schlüssel zu vielen Bereichen. Den Kindern wird bewußt, im Alltag, sprachliche Kompetenz beigebracht.
-Viele verschiedene Kinderbücher stehen für die Kinder jederzeit erreichbar zur Verfügung. Beim Vorlesen und beim Gespräch über die Inhalte vermitteln die Erwachsenen Freude am Umgang mit Literatur. Die Erwachsenen achten auf vorbildliches Verhalten, indem sie nicht über Räume hinwegschreien, höflich miteinander umgehen, ausreden lassen, selbst zu Ende sprechen…
-Lieder und Gedichte in „Nicht-deutscher“Sprache und Phantasiesprache werden gelernt.
-Beim Schule spielen wird der sprachliche Bereich besonders stark angesprochen.
-Es finden Besuche in der Bücherei und regelmäßige Neuanschaffungen zu aktuellen Themen statt.
-Geschichten, die sich die Kinder ausdenken, werden als Buch oder als Theaterstück umgesetzt.
-Wort-und Reimspiele finden sowohl in Ritualen des Tagesablaufs als auch spontan während der Freispielzeit statt.
-Theateraufführungen werden gemeinsam besucht.
Musik und Gesang
-Musikalische Früherziehung wird wöchentlich durch eine Fachkraft durchgeführt. Rhythmusinstrumente stehen den Kindern jederzeit zum freien Spiel zur Verfügung.
-Bei unserer Abschlußrinde werden täglich Lieder gesungen und Kreisspiele
gemacht.
Gestalten
-Beim Basteln (Falten und Kneten von Formen), Turnen (Rhythmik) und Spielen (Bauen mit Formen) wird der Aufbau des visuellen und räumlichen
Vorstellungsvermögens unterstützt.
Zum Gestalten steht den Kindern vielfältiges Material zur Verfügung; sie werden darin unterstützt, ihre eigenen Ideen umzusetzen.
Außerdem werden ihnen auch immer wieder Bastelanregungen geboten.
Die Welt der Zahlen, Zeit und Raum
-Die Zählkompetenz wird bewusst, aber spielerisch bei immer wieder kehrenden Ritualen gefördert, beispielsweise, wenn das Alter des Geburtstagskindes auf vielfältige Weise zählend dargestellt wird.
-Der richtige Umgang mit zeitlichen und räumlichen Begriffen wird in der konkreten Alltagssituation gefördert.
-Beim Schule spielen und bei Würfelspielen wird das Zahlenverständnis gefördert
Die Welt erfahren, entdecken und begreifen
-Kinder „sind bestrebt, nachzuforschen und herauszufinden, `warum etwas so ist oder´ oder `wie etwas funktioniert´.“ (BEP S. 272). Wir greifen diese Neugier auf und unterstützen ihren Beobachtungsdrang.
-Außerdem werden gezielt verschiedene Experimente durchgeführt.
-Die Kinder erfahren die Möglichkeit, sich bei Fragen Informationen zu verschaffen, zum Beispiel durch Bücher aus der Bücherei oder durch das Internet.
2.6.3 Das Kind als Experte für seine (psycho-)motorische Erziehung
-Im Tobezimmer, das immer für die Kinder offen ist, können sie sich an der Kletterwand, der Sprossenwand und auf den Weichbodenmatten bewegen.
-Einmal in der Woche geht die Erzieherin mit den Kindern zum Turnen in einen nahe gelegenen Raum.
-Bei unseren Waldtagen und Spielplatzbesuchen haben die Kinder vielfältige Beswegungsmöglichkeiten.
2.6.4 Umwelterziehung
-Die Kinder lernen anhand von Experimenten natürliche Zusammenhänge zu erkennen.
-Ausflüge werden möglichst mit Bus und Bahn unternommen
-Erwachsene achten auf Mülltrennung
-Wir geben den Kindern Zeit, auf dem Weg zum Spielplatz kleine Tiere, Pflanzen… zu entdecken und zu beobachten.
3. Die Elternmitarbeit
Die Kindergruppe wird von den Eltern in verschiedenen Bereichen mitgetragen:
Mindestens einmal in zwei Wochen ist ein Elterndienst zu übernehmen. Das bedeutet, an der Gestaltung des Kindergruppentages aktiv mitzuwirken. Dabei bringen die Eltern ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten pädagogisch reflektiert ein.
Die Eltern erleben ihr Kind in der Gruppe und lernen seine Stärken und Schwächen unter neuen Bedingungen kennen. Aber auch zu anderen Kindern können tragfähige Beziehungen entstehen.
Da sowohl Väter als auch Mütter Elterndienste übernehmen, erleben die Kinder Männer und Frauen als Rollenvorbilder. Dies hilft ihnen, eine positive Geschlechtsidentität zu entwickeln. Durch die Vielfalt der Bezugspersonen entsteht ein offener und partnerschaftlicher Umgang mit Erwachsenen. Die verschiedenen Aufgaben werden unter den Eltern, in Form einzelner Ämter, verteilt. Z.B. Finanzen, Einkäufe, Hausmeisterdienst….
Alle drei Wochen findet ein Elternabend statt, an dem alle Eltern teilnehmen sollten. Hier werden pädagogische und organisatorischeFragestellungen angesprochen.
Da der Verein „Kleine Strolche e.V.“ gleichzeitig Träger der Kindergruppe ist, muss auch die organisatorische Arbeit durch die Eltern gewährleistet sein. Das beinhaltet die Verteilung von verschiedenen Aufgabenbereichen wie z.B. Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit, Personalbetreuung oder Renovierungsarbeiten.
4. Organisation
Die „Kleinen Strolche“ sind eine feste Kindergruppe aus 12-15 Kindern in den Räumen Kunigundendamm 9 in Bamberg. Die Kinder werden von einer Erzieherin, einer Praktikantin und den Elterndiensten betreut.